Sonntag, 12. Dezember 2010

Richter Schulz

12. Dezember 2010
Erwecken Sie bloß nicht einen Eindruck!

Das Landgericht von Hamburg hat zwei Kammern, in denen das Grundgesetz gelegentlich außer Kraft gesetzt wird. Der Hamburger Justizkritiker Rolf Schälike nennt sie "Zensurkammern", besucht die Verhandlungen und übt scharfe Kritik. Auch am Freitag hat der Sievekingplatz in seinem Terminkalender gestanden. Dieses Mal war er beim Vorsitzenden Richter Schulz, dessen Kammer die Nummer 25 bekommen hat.

In der Terminrolle stand ein gar merkwürdiges Verfahren. Ein Mehrfach-Kläger hatte sich darüber aufgeregt, dass jemand über einen Beschluss berichtet hatte, den dieser Kläger in anderer Sache vor dem Hamburger Landgericht erwirkt hatte. Das tat der Beklagte in wortwörtlicher Wiedergabe dieses Beschlusses, der mit einem Kurzkommentar versehen wurde. Der lautete: "Nun haben aber auch mir ehemalige Klientinnen berichtet, dass sie erlebt haben, was der Kläger per Beschluss bestreiten will. Solche Aussagen liegen mir in schriftlicher Form vor, andere sind telefonisch gemacht worden." Das fand am Freitag auch der Vorsitzende Richter Schulz nicht gut. Für die Verurteilung des Beklagten bediente er sich eines Tricks.

Dem Beklagten wurde nicht etwa vorgeworfen, er habe die Unwahrheit verbreitet. Die Wahrheit reichte aus. Wie nur hat der Vorsitzende Richter Schulz das geschafft? Er behauptete einfach, der Beklagte habe mit seiner Veröffentlichung "einen Eindruck erweckt", der den Kläger in negativem Licht erscheinen lasse. Um Zweifel an seiner Entscheidung zu zerstreuen, setzte Schulz den Streitwert auf 20 000 Euro fest.

Das ist schön teuer für den Beklagten, erfreulich für den Kläger und bedeutet fortan für jeden Gerichtsreporter: Immer für richtig halten, was vom Hamburger Landgericht entschieden wird. Auch Anmerkungen, die der Wahrheit entsprechen, sofort wieder im Papierkorb verschwinden lassen. Also keinesfalls den Eindruck erwecken, dass man als Reporter auch selbst Ohren und Augen hat. Justicia ist blind - wer was gesehen oder gehört hat, wird zum Schweigen verurteilt.

Und wenn es Zeugen gibt, die den Eindruck erwecken, dass sie für den Beklagten aussagen wollen? Mag der Vorsitzende Richter Schulz nicht. Schließlich will er nicht den Eindruck erwecken, dass er sich Mühe gibt...

Az. 325 O 172/10

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