Freitag, 11. Dezember 2009

Simmel und Luise Rinser

11. Dezember 2009
Blamiert bis auf die Amazon-Knochen

Schon im Sommer 2007 haben der Musikproduzent Mario Thaler und Per Schönacher aus München die Nase voll gehabt von unqualifizierten Beiträgen auf den Internetseiten des Online-Einzelhändlers Amazon. Nach einer langen Nacht meldeten sie die Domain www.zehnseiten.de an, luden Autorinnen und Autoren zu Lesungen in ihr Studio ein. Die Produktionskosten der Kurzfilme tragen die Verlage. Berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ am 9. Dezember 2009.

Im Sommer 2007 habe ich Amazon noch nicht gekannt, wie unqualifiziert dort gelegentlich diskutiert wird, ist mir seit dem 1. Oktober 2009 allerdings immer klarer geworden. Das Amazon-Prinzip, dass jede Käuferin und jeder Käufer Rezensionen schreiben darf, Beiträge kommentieren kann und Rezensionen plus Kommentare auch noch mit „hilfreich“ oder „nicht hilfreich“ bewerten darf, macht dieses Portal zu einem Tummelfeld anonym Agierender, die sogar noch morgens um halb vier vor dem Computer hocken und wie von Sinnen sind, wenn sie feststellen, dass eine Frankfurterin immer noch als zweitbeste Amazon-Rezensentin gilt.

Eine Frau W. faselt über ihre Menstruation, ein Herr V. P. fiebert dem Feierabend geradezu entgegen, jemand aus Emden nennt sich Dr. T. Beuthel und hat wohl kaum noch Zeit, Tee zu trinken. Nicht nur unqualifiziert, sondern auch rücksichtslos wird auf der Frankfurterin herumgehackt. Kaum erscheint ein Beitrag von ihr bei Amazon, geht das Geplapper los. Solidarisiert sich jemand mit Helga König, wird er ebenfalls aufs Korn genommen. So auch mir geschehen, doch: Irgendwann blamieren sich solche Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bis auf die Amazon-Knochen. Man muss nur einen Köder auslegen.

Ausgelegt worden ist er am Abend des 10. Dezember 2009. Unter dem Namen „Elisa Lautenschlager“ veröffentlichte ich bei Amazon eine Rezension meiner Broschüre „Ein Buch Buntes“. Elisa gehört schon seit geraumer Zeit zu den Feindbildern der König-Gegner, sie ist mit diesem Test einverstanden gewesen. So fand eine Besprechung den Amazon-Weg zur Veröffentlichung, die ich aus in Zeitungen erschienenen Kritiken oder aus privaten Briefen zusammengeschrieben habe. Diese Meinungsäußerungen stammen allesamt von Profis.

Dazu gehörten auch Johannes Mario Simmel, den ich mehrfach interviewt habe und der alle meine Bücher las und gut fand, und Luise Rinser, die ich vor über 20 Jahren so an den Telefonapparat bekam: Nach mehreren Versuchen hatte ich endlich eine Verbindung mit Michael Ende in Italien, er beantwortete meine Fragen und wollte wissen, für wen ich schreibe. Das war seinerzeit eine Hamburger Nachrichtenagentur. Als ich Michael Ende erzählte, dass ich auch noch Luise Rinser an die Strippe bekommen müsse, antwortete dieser Bestsellerautor: „Sie wohnt bei mir in der Nähe.“
Er gab mir ihre Telefonnummer.

Wenige Stunden nach dem Erscheinen bei Amazon ist die „Ein-Buch-Buntes“-Rezension bereits 17 Mal als „nicht hilfreich“ eingestuft worden, außerdem gibt es vier Kommentare. Die stammen zweimal von einem gewissen „Buchling“, der als Profilbild die Aufnahme von Eisbären verwendet, von einem Züricher, der sich darüber beklagt, dass auch er sich mit negativen Bewertungen seiner Beiträge herumschlagen müsse und von jenem Dr. T. Beuthel aus Emden.

Der schreibt: „Liebe Frau Lautenschlager, zum wiederholten Mal fallen Sie mir hier bei Amazon auf und zum wiederholten Mal als sehr negativ. Sind Sie die Pressesprecherin (beim scheinbar unaufhaltsamen Erfolg und dem Zuspruch solch prominenter ´Kollegen´ ist die Installation einer solchen Hilfskraft für den Autor unabdingbar) des Autors? Ein wenig mehr Distanz zum rezensierten Produkt hilft der Glaubwürdigkeit. So erkenne sogar ich, dass mit dieser Rezension etwas nicht stimmt. Gerne würde ich die von Ihnen zitierten Schriftsteller mit den ihnen von Ihnen zugeschriebenen Aussagen über den Autor konfrontieren. Es würde mich nicht wundern, erhielte ich als Antwort: ´Tjaden, wer?´“

Was dieser Dr. T. Beuthel offenbar nicht weiß: Die in der Rezension zitierten Schriftsteller kann niemand mehr befragen. Johannes Mario Simmel und Luise Rinser, die meine Bücher gelobt haben, sind tot. Könnte man wissen. Simmel ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller gewesen, Luise Rinser wurde 1984 von den Grünen sogar als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen.

5 Kommentare:

  1. Lese mit großem Interesse soeben diesen Beitrag, lieber Herr Tjaden.

    Alles, was Sie schreiben entspricht den Realitäten. Es wäre mehr als sinnvoll, dass bei Amazon nur derjenige schreiben darf, der eine gültige Adresse und Telefonnummer angibt. Verleumdungen und Bösartigkeiten sollten grundsätzlich gelöscht werden und zwar sofort und nicht erst nach Tagen.

    Dass Sie Simmel, Rinser und Ende kannten, beeindruckt mich. Dass Simmel Ihre Texte zu schätzen wusste, kann ich gut verstehen.
    Sie schreiben großartig.

    In den späten 1970ern las ich alles von Rinser. Vielleicht sollte ich von ihr etwas rezensieren.Ich fand ihre Bücher super.
    Es gab eine Zeit da wurde ihr und Böll übel mitgespielt.

    Liebe Grüße Helga König

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  2. Stimmt. Als Heinrich Böll im Spiegel für einen fairen Prozess auch für RAF-Terroristen plädierte, fiel die Springer-Presse über ihn her. Luise Rinser erging es ähnlich, weil sie bekannte, dass eine RAF-Terroristin zu ihrem Freundeskreis gehört habe...

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  3. Hallo Herr Tjaden, das war schon eine clevere Falle, die Sie den Monarchomachen da gestellt haben. Es war eine besonders kluge Idee, Ihre Rezension Frau Lautenschlager in den Mund zu legen, die - zumindest unter eigenem Namen - noch keine Rezension bei Amazon veröffentlicht hat, so dass niemandem stilistische Diskrepanzen auffallen konnten. Klug war es auch, den Köder in Ihrem Blog so prominent zu platzieren. Wen also wundert´s, dass Ihnen alle auf den Leim gegangen sind?
    Nur eine Frage habe ich: Verträgt es sich eigentlich mit den Amazon-Richtlinien, lobende Worte zum eigenen Werk unter fremdem Namen zu veröffentlichen? Oder war Amazon vielleicht vorweg über Ihre Finte informiert? Das wäre natürlich wirklich clever, "sly, Sir, devilish sly", um mit Charles Dickens zu sprechen.

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  4. @ Cedo

    Amazon hat natürlich gewusst, dass dies eine Finte ist :-) Die haben ja auch meinen Beitrag mit der Kritik an dem Verhalten mancher Leute unter meinem Namen gebracht :-)))

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  5. Ein gewisser Markus hat sich gestern kurz vor Mitternacht zu einem beleidigenden Kommentar hinreißen lassen. Da die Kommentare hier moderiert werden, erscheint er nicht. Die von google dazu gespeicherten Daten werde ich an google weiterleiten zur Identifizierung des Absenders.

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