Mittwoch, 14. Oktober 2009

Christliche Werte

14. Oktober 2009
Kanzlerin fährt nicht nach Münster

In (Koalitionsverhandlungs-) Zeiten wie diesen lese ich: eine konservative Zeitung. Wie die „Welt“. Dort scheinen sie zu glauben: Wir sind unter uns! Und können - fast schon wie in der marxistisch-leninistischen Pressetheorie als Agitator und Propagandist - den nächsten kapitalistischen Realismus erfinden, wie auch der sozialistische Realismus nie etwas mit dem DDR-Alltag zu tun gehabt hat.


CDU, CSU und FDP sitzen zurzeit an einem Tisch, wollen eine neue Koalition schmieden, doch es will nicht zusammenwachsen, was angeblich zusammengehört. Die Liberalen schalten bei der Steuerreform auf stur. Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing sagt bereits: „Wir müssen keinen Koalitionsvertrag mit der Union unterschreiben.“ 15 Milliarden Steuererleichterungen seien zu wenig. Steht auf Seite 1 der „Welt“. Schon stoppt der hessische Ministerpräsident und möglicherweise kommende Finanzminister Roland Koch die wohl auch dieses Mal nicht ernst gemeinte Bildungsoffensive. Für Bildung brauche man nur „etwas mehr Geld“, beruhigt er die Krisen-Gemüter. Dann kann man sich wenigstens 15 Milliarden Steuererleichterungen leisten?

Dem Wirtschaftsrat der Union scheinen die Steuerdiskussionen auf den Geist zu gehen, den man dort wohl vergeblich suchen würde. Dieser Rat rät: Unpopuläre Maßnahmen gibt es erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Klingt nach dem nächsten Wahlbetrug. Solche Ratgeber wissen: Alle Macht geht vom Volke aus, dient nicht immer der Wahrheitsfindung.

Auch beim Thema Gesundheit stimmen die CDU-Verhandlungsführerin Ursula von der Leyen und der FDP-Verhandlungsführer Philip Rösler immer die gleiche Leier an. Der „Welt“ kommt deswegen auf Seite 2 der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in den Sinn. Denn es gibt auch noch den CSU-Gesundheitsminister von Bayern. Markus Söder stemmt sich weiter gegen eine einseitige Belastung der Arbeitnehmer. Beitragserhöhungen seien deswegen nicht drin. Man könne den Krankenkassen statt dessen ein Darlehen gewähren. Und wer zahlt das zurück?

Angela Merkel lässt sich derweil nicht blicken und fährt am Sonntag nicht nach Münster. Dort veranstaltet die Junge Union ihren Deutschlandtag. Der Nachwuchs fordert einen „massiven Kurswechsel“, heißt es in einem Strategiepapier. Darüber hat sich die Kanzlerin nicht amüsiert, weiß die „Welt“ ebenfalls auf Seite 2. Mit „Start me up“ von den Rolling Stones hätte die Junge Union Merkel empfangen. Sollte der Nachwuchs auch ohne CDU-Parteivorsitzende spielen. Dann öffnet sich der Vorhang für das nächste Affentheater vor immer weniger Wählerinnen und Wählern. Denn - was bitte - sind die von der Jungen Union beschworenen „christlichen Werte“, wenn Union und FDP Politik machen wollen?

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